Ein neuer Tag & ein langes Wochenende
Gestern habe ich übrigens das nächste Foto für mein Projekt "Hommage an August Sander" gemacht
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„Wie viele Teppiche sind gesaugt, wie viele Küchenherde gereinigt, wie viele Schuhe geputzt worden aus keinem anderen Grund, als ein anderes Arbeitsvorhaben zu vermeiden.“
Hans-Werner Rückert
Wer kennt sich mit dem „Aufschieben“ nicht bestens aus?
Hat es mich früher immer genervt, wenn Sarah auf meine Aufforderungen mit "...jaaaa, gleich!" antwortetet, so muss ich heute gestehenm: Ich bin offensichtlich eine Meisterin in diesem Fach.
Vieles beharrlich vor mir herschieben bedeutet ja wohl auch notwendige Lebensentscheidungen nicht zu treffen, oder wichtige Vorhaben eben nicht in Angriff zu nehmen, eben Dinge, die längst überfällig sind, sofort zu erledigen.
Es ist nicht eine Frage von Einsicht oder Intelligenz, die mich daran hindern, diejenigen Schritte zu unternehmen, die notwendig wären, um ein von mir selbst als erstrebenswert definiertes Ziel zu erreichen. Nein!
Ich fühle mich blockiert, ohnmächtig, gelähmt, habe Versagensängste und Konzentrationsschwierigkeiten und verlieren mich gerne in nebensächlichen Tätigkeiten, die ganz offensichtlich lediglich dem Zweck dienen, der eigentlichen, als äußerst bedrohlich empfundenen Aufgabe auszuweichen, und, wie mir geht es trillionen anderen Menschen auch, haben wissenschaftlich Untersuchungen herausgefunden.
Ist diese Verzögerungstaktik erst einmal zur Gewohnheit geworden, plagen wir Betroffenen uns wegen unseres Unvermögens, das eigene Verhalten in zielgerichtete Bahnen zu lenken, noch zusätzlich mit Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen – Emotionen, die zu weiterem Aufschieben verleiten.
Uns kann nicht mit der lapidaren Aufforderung zu mehr Selbstdisziplin geholfen werden, haben die schon erwähnten wissenschaftlichen Untersuchungen belegt. Im Gegenteil: ein schmerzlicher Irrtum der „Auf-die-lange-Bank-Schieber“ ist ja gerade, dass sie davon überzeugt sind, ihr Projekt beim nächsten Anlauf, ausgestattet mit einem ausgeklügelteren Zeitplan und unerschütterlicher Disziplin, endlich auf den Weg zu bringen.
Doch lösen die hehren Ansprüche zuweilen beträchtliche Ausweichmanöver aus, denn die Ursache des Problems liegt woanders.
Möglicherweise hängt das Aufschieben mit kindlichen oder pubertären Trotzreaktionen gegenüber Autoritätspersonen zusammen, entpuppt sich als ein früh eingeübter Schutzmechanismus, der – einst wie heute – Schlimmeres vermeiden soll(te) oder ist Ausdruck des Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Konventionen, denen sich ein Mensch auf andere Weise nicht zu widersetzen vermag.
Und nun?
Problem erkannt, Problem gebannt?
Strategien zur Bewältigung des Aufschiebe-Problems müssen her!
"Wichtigstes Ziel ist hier, die Betroffenen zu lehren, sich selbst mehr zu akzeptieren und mit ihren Gefühlen angemessener, d.h. weniger selbstschädigend umzugehen." heißt es bei Hans-Werner Rückert.
Er meint auch, dass, wenn jemand erst einmal erkannt hat, dass leidenschaftliche Selbstanklagen der Lösung seines Problems eher hinderlich sind, kann er Energien für erfolgversprechendere Maßnahmen mobilisieren.
Das ist gut, oder?
Seine Empfehlung ist anhand eines „Aufschiebe-Tagebuches“ herauszufinden, welche Situationen und angstauslösenden Gedanken den Aufschiebe-Mechanismus in Gang setzen.
Überprüft man anschließend – klaren Kopfes – die in der Zukunft lauernden, mit dem Gegenstand des Aufschiebens scheinbar verbundenen „Katastrophen“ auf ihren Realitätsgehalt hin, erweisen sie sich nicht selten als völlig absurde Übertreibungen
Zusätzlich zu der Korrektur irrationaler Überzeugungen sind aber auch allerhand praktische Fertigkeiten notwendig (und erlernbar!), um das Aufschiebe-Problem in den Griff zu bekommen.
Die Furcht einflößende Aufgabe wird einfach in derart kleine, präzise benannte Teilschritte zerlegt, dass die hemmende Angst schwindet, der Erfolg sicher und der Fortschritt überprüfbar ist.
Die wohlbekannten ablenkenden Gedanken – „Vielleicht sollte ich doch vorher noch eine Tasse Kaffee trinken, die Nachrichten hören, die Wohnung aufräumen?“ – werden zwar wahrgenommen, aber nur mehr notiert ... und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, an dem sie ohne schlechtes Gewissen in die Tat umgesetzt werden können.
Der sympathischste Vorschlag, den Hans-Werner Rückert für alle hartnäckigen AufschieberInnen bereithält, ist der, zuallererst und unumstößlich die schönen Dinge des Lebens in den Terminkalender einzutragen: den Espresso im Straßencafé, das abendliche Treffen mit den Freunden, den Kinobesuch am Wochenende. Die Befürchtung, das vertraute Aufschieben womöglich gegen einen freudlosen, nicht-enden-wollenden Arbeitstag einzutauschen, wird dadurch völlig gegenstandslos. Ist der Saunatermin erst einmal fest eingeplant, so ist es doch durchaus zumutbar, die Zeit bis zu diesem wohltuenden Ereignis mit ein paar überschaubaren kleinen Aufgaben auszufüllen – oder etwa nicht?
Doch es gilt auch, dass einiges im Leben Zeit braucht. Als Fotografin kann es sein, dass ich wochenlang auf das richtige Licht an der richtigen Stelle warte. Oder, dass der nächsten Karrieresprung erst möglich ist, wenn die jüngste Tochter zur Schule geht.
Sowas ist doch kein Aufschieben, oder?
Auch ein Vorhaben, das ein Jahrzehnt Geduld erfordert, bis vielleicht das Häuschen endlich vollends abbezahlt ist, muß keineswegs in die Kategorie "Aufschieberitis" fallen. Vieles, was man aufschiebt, würde einfach auch eine Menge Geld kosten. Die Erfüllung von Konsumwünschen aufzuschieben kann außerordentlich vernünftig sein, sogar der Winkel im Keller, der seit Jahren einmal aufgeräumt werden sollte, ist vielleicht wirklich nicht so wichtig wie Beruf und Familie.
Viele Aufgaben erledigen sich durch Liegenlassen ganz von alleine. Der "Mut zur Lücke" ist ein bewährtes Mittel zur Bewältigung großer Mengen von Lernstoff.
In diesem Sinne wünsche ich ein wunderschönes, ruhiges, erholsames langes Wochenende.
Kommentare
Schöne Pfingten an dich und deine Hundinen! tschau.trau.mau